Nabelschau bei der Fachkräftesuche

Nabelschau bei der FachkräftesucheZittau, 16. August 2022. Von Thomas Beier. Mal ganz davon abgesehen, dass ich den Begriff "Fachkräfte" nicht mag, weil er in meinen Augen Mitarbeiter – ja, fast schon auf überhebliche Weise – auf ihr Dasein als eine Arbeitsleistung erbringende "Kraft" reduziert, sehe ich schon das Problem vieler Unternehmen und Organisationen, Fachleute und guten Nachwuchs zu gewinnen und zu halten.

Abb.: Gute Leute sind immer gefragt – eigentlich
Foto: dominador, Pixabay License
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Mangel wird gefüttert statt als Triebkraft genutzt

Eigentlich sollte der Mangel an Fachleuten und jenen, die es werden möchten, ein gutes Zeichen sein. Bleibt man beim Blick auf die Wirtschaft, dann ist ein Mangel an gut ausgebildeten Leuten ein Zeichen für Prosperität – sollte man meinen. Immerhin orientiert sich jede Entwicklung am Mangel, genauer an jenem Faktor, der die Entwicklung am stärksten begrenzt.

Doch statt den Hebel am wirkungsvollsten Punkt anzusetzen, haben sich auch in Sachsen allerlei Initiativen und Netzwerke etabliert, die – anstelle unter wirtschaftlichem Erfolgsdruck zu stehen wie etwa das privatwirtschaftlich erfolgsorientiert arbeitende Portal jobs-oberlausitz.de und seine Schwester für die Niederlausitz – wohl eher darauf spezialisiert sind, für an den Haaren herbeigezogene Projekte und Aktionen Fördermittel letztendlich aus der Tasche des Steuerzahlers abzugreifen.

Falsche Ziele, falsche Maßnahmen

In der Strategieentwicklung gibt es einen Grundsatz: Ist das Ziel falsch, sind auch alle Schritte, die man in diese Richtung geht, falsch. Was also läuft so sehr falsch, dass Fachleute zur Mangelware geworden sind? Schnell melden sich jene zu Wort, die auf die demografische Entwicklung als Ursache verweisen, auf die Abwanderung von Jüngeren und Leistungsträgern in die Ballungszentren und darauf, dass überhaupt zu viele Leute Abitur machen und studieren, anstelle eine Ausbildung zu absolvieren und dann hochmotiviert, flexibel und verständnisvoll für die stets schwierige Marktlage ihr Arbeitsleben hinter sich zu bringen.

Hohe Qualifikation ist kein Makel

Anders wird ein Schuh daraus: Einerseits schon in Schule und Elternhaus die Lust am Lernen vermitteln und andererseits keine Scheu der Arbeitgeber vor hochgebildeten Absolventen. Nie werde ich eine Gruppe von Absolventinnen vergessen, alle hochgebildet, etwa Studium der Betriebswirtschaftslehre mit ausgezeichneten Ergebnissen und Marketing-Zusatzstudium in den USA – ihr einziger Fehler beim Eintritt in das Berufsleben: Sie wollten einen Arbeitsplatz in ihrer alten Heimat Oberlausitz. Reihenweise wurden sie als überqualifiziert abgewiesen, am Ende blieb keine Einzige im Südosten Sachsens.

Doch auch mit einem nichtlinearen Bildungsweg stößt man noch immer auf Ablehnung: Wer sich ausprobiert, auch mal abbricht und ein-zwei Jahre irgendwo jobbt, wird oftmals nicht wertgeschätzt. Zudem fehlen heute generell die bodenständigen und sozialkompetenten Akademiker, die einst aus der "Berufsausbildung mit Abitur" hervorgingen. Sie wurden von ihren Ausbildungsbetrieben zum Studium delegiert, was – von wenigen Ausnahmen abgesehen – die Rückkehr in das Unternehmen sicherte. Heute werden solche Effekte am ehesten mit dem dualen Studium erreicht, wie es etwa die Berufsakademie Bautzen anbietet.

Lokal ist Quatsch

Was auffällt ist, dass die Suche nach guten Mitarbeitern viel zu stark lokal orientiert ist. Fokussiert wird auf sogenannte Rückkehrer oder Heimkehrer und junge Leute, die im Ort oder in der Region eine Berufsausbildung absolvieren sollen. Was zu vermissen ist, das ist die überregionale Personalsuche – und zwar bitte ohne jeden Touch von hinterwäldlerischer Heimattümelei und ohne die nicht gerade pfiffig wirkenden Argumente von "schöner Stadt" oder "abwechsungsreicher Natur" – wenn das ziehen würde, wären die Ballungszentren nicht so attraktiv.

Wenn es wirklich um Fachleute geht: Glaubt jemand ernsthaft, etwa ein spezialisierter Headhunter in München sucht Fachleute nach dem Kriterium der Region, aus der sie kommen? Arbeitnehmer sind schon immer der Arbeit hintergezogen, in Krisenzeiten aus Not, heute aber dorthin, wo alle Rahmenbedingungen stimmen. Unstimmige Rahmenbedingungen beginnen schon dort, wo – so geschehen in der Oberlausitz – ein Bewerber erstaunt und fast schon vorwurfsvoll gefragt wird: "Ach, Sie kommen von außerhalb?", anstelle das Eis etwa mit einem "Nanu, wie hat es Sie denn hierher verschlagen?" zu brechen.

Es sind solche Erlebnisse, mit denen die schönste Hochglanzwerbung, mit der Fachleute gewonnen werden sollen, vom realen Erleben zunichte gemacht wird. Zu befürchten ist eine unheilvolle Korrelation: Je mehr Organisationen in Form von "Netzwerken" oder "Allianzen" in einem regionalen Arbeitsmarkt herumwuseln, sich gegenseitig beschäftigen und sich zudem als Vermittler zwischen den eigentlichen Marktteilnehmern aufspielen, umso weniger attraktiv ist der Arbeitsmarkt.

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  • Quelle: Thomas Beier | Foto: dayamay / dominador, Pixabay License
  • Erstellt am 16.08.2022 - 20:25Uhr | Zuletzt geändert am 16.08.2022 - 21:01Uhr
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