Whistleblower willkommen?
Zittau, 24. März 2022. Von Thomas Beier. Es ist schon paradox: Einerseits wird der wohl bekannteste Whistleblower Julian Assange, der Begründer von Wikileaks, juristisch verfolgt, andererseits erzwingt die Europäische Union gemäß der EU-Whistleblower-Richtlinie (2019/1937) Unternehmen ab einer bestimmten Mitarbeiterzahl, ein Hinweisgebersystem anzubieten.
Sind Hinweisgebersysteme modernes Denunziantentum?
Hinweisgeber? Dem in der “DDR” sozialisierten Bürger fällt dazu nur der Spruch "Das größte Schwein im ganzen Land ist und bleibt der Denunziant!" ein. Das Denunziantentum hat ja seine ganz spezifischen Schattenseiten: Oft genug wurde und wird das sogenannte Anschwärzen genutzt, um ganz persönliche Rechnungen zu begleichen. Und immer wieder reicht es völlig aus, denunziert zu werden, um schwere Nachteile zu erleiden – ganz nach dem Motto: Irgendetwas muss ja dran sein an den Vorwürfen.
Beispiele gibt es zuhauf: So musste der Student Jörg Beier 1969 für 18 Monate hinter Gitter, weil ein Zuträger sich bei der Stasi wichtig machen wollte: Angesichts eines bevorstehenden Bulgarien-Urlaubs hatte jemand in einer Kneipe gewitzelt, Beier könne ja mal eine Ansichtskarte aus der Türkei schicken. Das reichte für den “Verdacht auf Republikflucht”, die nie beabsichtigt war. Das zeigte sich auch schon bald nach der Verhaftung, doch sie Stasi hatte Blut geleckt und suchte nun nach anderen Haftgründen.
Dazu zählte auch der Spruch eines Polen, verschickt als Linolschnitt als Neujahrsgruß: “Wenn der Haifisch schwimmt im Meer, dann gibt es einen sicheren Test: Staatsverbrecher ist der, der sich nicht fressen lässt.” Ein tapferer Mann aus dem Polnischen Kulturzentrum in Berlin – Silvester Kaszkowiak hieß er wohl – half, zumindest diesen Vorwurf zu entkräften. Dennoch wurde Beier verurteilt, unter anderem, weil er Hermann Hesse, Franz Kafka und Jean-Paul Sartre gelesen hatte.
Hinweisgeber heute
Hinweisgebersysteme heutzutage haben jedoch eine andere Funktion: Hier geht es um die Compliance, das regelgetreue Verhalten von Unternehmen und anderen Organisationen. Dahinter steckt die Tatsache, dass Unternehmen unter Umständen für Rechtsverstöße ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haften müssen, vor allem dann, wenn sie keine vorbeugenden Maßnahmen ergriffen haben.Unternehmen müssen sich entscheiden, in welcher Form sie sich dem Compliance Management stellen wollen. Wichtig ist auf jeden Fall, dass sich die Beschäftigten mit ihren eigenen Verhaltensweisen und Grundeinstellungen beschäftigen, um Regelverstöße schon im Ansatz zu vermeiden. Ein Hinweisgebersystem soll dazu beitragen, derlei Verstöße frühzeitig zu erkennen und zudem wohl auch eine abschreckende entfalten. Auf jeden Fall müssen viele Organisationen beziehungsweise Unternehmen bereits ein solches System eingeführt haben, Stichtag war der 17. Dezember 2021.
Eine elegante Lösung ist ein softwaregestütztes Hinweisgebersystem für Unternehmen, das zugleich eine gewisse Rechtssicherheit verspricht. Immerhin muss der Hinweisgeber binnen sieben Tagen nach seinem Hinweis über dessen Eingang informiert werden. Die Software garantiert dabei die Anonymität des Hinweisgebers und kann die Aktivitäten protokollieren.
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- Quelle: Thomas Beier | Foto: animatorim / Nikul Patel, Pixabay License
- Erstellt am 24.03.2022 - 18:45Uhr | Zuletzt geändert am 24.03.2022 - 19:09Uhr
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