Unternehmensberatung: Besserwisserei oder mehr?

Unternehmensberatung: Besserwisserei oder mehr?Zittau, 10. März 2021. Von Thomas Beier. Was macht ein Unternehmensberater? Kaum ein Beruf ist von so viel Vorurteilen belegt wie der des Beraters. Das Klischee: Schlips und Kragen, Aktenköfferchen – und "Management by Helikopter": Bei der Landung viel Staub aufwirbeln, um alsbald wieder abzuheben und verschwinden. Ein Blick hinter die Kulissen zeigt ein anderes Bild.

Symbolfoto: Tumisu, Pixabay License
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Damit Unternehmen auch ihrer sozialen Verantwortung gerecht werden können

Zwei verbreitete Irrtümer müssen gleich zu Beginn geklärt werden. Einer ist, Unternehmensberatungen würden nur allein im Sinne des Kapitals und deshalb regelmäßig gegen Arbeitsplätze arbeiten. Das stimmt keinesfalls, im Gegenteil ist es durchaus im Interesse von Arbeitgebern, auch in schwierigen Zeiten das Personal und damit das Knowhow zu halten. Der zweite Irrtum zeigt sich in der Frage: "Wenn die Unternehmensberater alles besser zu wissen, warum gründen sie dann nicht selbst Unternehmen in den Branchen, in denen sie beraten wollen?" Nun, niemand weiß "alles" besser, aber gute Berater kennen Zusammenhänge und Vorgehensweisen, für die im Alltag eines Unternehmens oder einer anderen Organisation, in der Menschen zusammenarbeiten, keine Kapazität vorhanden ist

Hinzu kommt: Verbesserungen und Veränderungsprozesse können oft nur von außen angestoßen und begleitet werden: Selbst wenn die Unternehmensleitung weiß, was zu tun ist, können die nötigen Prozesse eben nicht per Anweisung zum Erfolg geführt werden. Einen wichtigen Einfluss dabei haben der Zustand der Organisation und die gelebte Unternehmenskultur – Gebiete, auf denen immer wieder aufs neue Handlungsbedarf besteht.

Um bei den Unternehmensberatern zu bleiben: Eine weitere Frage ist, in welche Richtung sich ein Berater spezialisiert und welcher berufliche Erfahrungshintergrund vorhanden sind.

Fakten und Faktoren

So konzentrieren sich viele Unternehmensberater auf die harten Fakten der Unternehmenssteuerung, also vor allem auf betriebswirtschaftliche Daten und rechtliche Zusammenhänge. Wer jedoch betriebswirtschaftliche Daten analysiert, wirft damit einen Blick in die Vergangenheit – dass sich daraus ein nur sehr unsicherer Blick in die Zukunft ableiten lässt, zeigen immer wieder hervorragende Pleiten scheinbar gesunder Unternehmen, die wie aus heiterem Himmel in Straucheln geraten und in der Insolvenz landen.

Anders ist es, wenn man sich die weichen Faktoren eines Unternehmens anschaut. Die nämlich bestimmen die künftige Entwicklung. Um ein Beispiel zu haben: Man kann etwa ein Start-Up auf der Grundlage eines Business-Plans reichlich mit Kapital ausstatten, was ein harter Fakt ist, wenn aber weichen Faktoren nicht stimmen, die Kunden sich nicht gut bedient fühlen oder es bei der inneren Zusammenarbeit genauso hapert wie bei der Kooperation mit Marktpartnern, ist das Kapital schnell verspielt. Ein Unternehmen aber, das nur wenig Kapital hat, dafür aber eine gute Marktzugangsstrategie umsetzt und in Nutzenskategorien denkt, wird sich Schritt für Schritt eine Eigenkapitalbasis schaffen und kann unabhängig von den Interessen von Kapitalgebern agieren – und zwar zum Wohle seiner Kunden. Damit lässt sich eine Erfolgsspirale in Gang setzen und wenn sich das Unternehmen nicht dumm anstellt, kann es seinem Erfolg in gewisser Weise gar nicht mehr ausweichen.

Im Grunde ist jedes Unternehmen - und sei es Jahrzehnte alt - ein StartUp, denn es muss sich immer wieder neu erfinden. Allerdings tuns sich viele, wohl sogar die meisten Unternehmen schwer damit. Man nennt sie "Palastorganisationen", weil sie Veränderungen nicht an sich heranlassen und glauben, der Markt funktioniere für immer so wie in der Vergangenheit. Anders die "Zeltorganisiationen": Jederzeit zum Aufbruch bereit in neue Weidegründe, Chancen und Herausforderungen suchend. Entgegen von Lippenbekenntnissen allerdings, die Flexibilität betonen, sieht die Veränderungswilligkeit in Organisationen – bei Führungskräften und vor allem bei Mitarbeitern – eher aus wie eine Lokomotive: Wenn es nicht weitergeht, legen wir noch ein Schippe auf.

Solche Einstellungen kann ein Unternehmen aus eigener Kraft gewöhnlich nicht ändern, hier sind Unternehmensberater gefragt, um die Unternehmenskultur, die oft von "geheimen Regeln" gekennzeichnet ist, zu analysieren, erfolgversprechende Verbesserungsansätze zu finden und den Wandel einzuleiten. Geheime Regeln, um das kurz zu erklären, sind eingespielte Verhaltensweisen und Rituale, über die kaum jemand spricht, die aber einem stillschweigenden Übereinkommen gleich eingehalten werden.

Handlungsbedarf rechtzeitig erkennen

Voraussetzung ist natürlich, dass ein Auftraggeber den Veränderungsbedarf erkennt, sonst sind dem besten Berater die Hände gebunden. In der Praxis wird der Veränderungsbedarf erst sehr spät erkannt mit der Folge, dass die Auswahl der Handlungsoptionen eingeschränkt ist. Leistungsfähige Unternehmen haben längst erkannt, dass die Organisationsentwicklung mit Hilfe externer Berater eine Daueraufgabe ist. Wozu das führt, lässt sich nicht immer in Zahlen messen, trägt aber dazu bei, dass die Unternehmenszahlen stimmen:


    • höhere Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen
    • eigene Grenzen richtig einschätzen
    • Pflege der intrinsischen Motivation
    • bessere Zusammenarbeit durch schnellere Teambildung und besseres Selbstverständnis als Team; dazu gehören etwa die Informationsweitergabe als Bringen und Holen, Vertrauen, Risikoeinschätzung und Fehlertoleranz, interner Wettbewerb durch Vorsprung und Auswertung und nicht durch die immer wieder festzustellende absichtliche gegenseitige Behinderung im Unternehmen oder einer sonstigen Organisation, in der Menschen zusammenarbeiten
    • jeden Mitarbeiter die Rahmenbedingungen geben, die ihn mit Spaß an der Arbeit im übertragenen Sinne an den Ort seiner höchsten Leistung führen

Wie man das erreicht? Dafür gibt es Denk- und Entwicklungssysteme, die wohl zu den bestgehüteten Betriebsgeheimnissen jedes guten Beratungsunternehmens gehören. Nur wenigen Unternehmensberatern gelingt es zudem, die einzelnen Systeme – die grundlegenden kann man sich an einer Hand abzählen – zu verknüpfen und auf diese Weise besondere Wirksamkeit zu entfalten.

Was geschieht, wenn man all das ablehnt, lässt sich auch in der Oberlausitz zeigen. Unternehmen, die wegen guter wirtschaftlicher Rahmenbedingungen prosperieren, vernachlässigen gern die auf den ersten Blick – jedenfalls sehr kurzfristig gesehen – unnütze Organisations- und Personalentwicklung im Bereich der weichen Faktoren, sie meinen, Fachqualifikation und Qualitätsarbeit seien bestimmend. Allerdings hat die disziplinierte und qualitativ hochwertige Arbeitserledigung wiederum sehr viel mit weichen Faktoren zu tun, darüber lassen sich Bücher füllen. Spätestens, wenn sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ändern, etwa durch neue Wettbewerber mit aggressiven Geschäftsmodellen oder durch neue Technologien, können die langfristig wirkenden Prozesse auf dem Gebiet der weichen Faktoren nicht auf die Schnelle nachgeholt werden. Die Folgen zeigen sich dann in den harten Fakten: Entlassungen und Betriebsschließungen.

Genau das zu vermeiden gehört aber zu den ganz wesentlichen Aufgaben des Unternehmensberaters. In mehr als 25 Jahren als Unternehmensberater im gesunden Mittelstand ist mir eine bestimmte Art von Aufträgen noch nie erteilt worden: Rationalisierungspotentiale suchen, um Lohnkosten zu sparen – aber das wird Beratern ja seltsamerweise gern vorgehalten. Dagegen standen Aufträge, Unternehmen so zu gestalten, dass Arbeitsplätze im Wandel erhalten bleiben. Grundsatz ist doch: Unternehmen können ihre soziale Aufgabe als Arbeitgeber nur dann erfüllen, wenn sie erfolgreich sind. Und dafür sind Berater da.

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  • Quelle: Thomas Beier | Foto: Tumisu, Pixabay License
  • Erstellt am 10.03.2021 - 09:56Uhr | Zuletzt geändert am 10.03.2021 - 11:38Uhr
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