Sonderausstellung "Zittavia Jagellonica. Kunst und Kultur um 1500"
Zittau. Fast vernachlässigte mittel- und osteuropäische Geschichte rückt wieder in den Blickwinkel: "Europa Jagellonica“ heißt eine zurzeit in Potsdam gezeigte Schau. Im "Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte" sind Glanzstücke der europäischen Kunst aus der Zeit um 1500 zu erleben - eine Zeit, als große Teile Mitteleuropas vom litauischen Herrschergeschlecht der Jagiellonen regiert wurden. Heute sind die Ober- und die Niederlausitz die einzigen zu Deutschland gehörenden Gebiete, die einst zum gewaltigen jagiellonischen Reich gehörten. Das ist Anlass, die Potsdamer Ausstellung mit kleineren Höhepunkten in den beiden Lausitzen zu begleiten. In der Oberlausitz werden von den Museen in Görlitz und Bautzen besondere Rundgänge angeboten, in Kamenz ist eine Kabinettschau den Anfängen des von den Jagiellonenkönigen gegründeten Franziskanerklosters gewidmet. Zittau, die Stadt der Fastentücher, wartet mit einer eigenen Sonderausstellung nebst Begleitprogramm zu den Jagiellonen auf.
Hintergrundwissen zu den Jagiellonen
Zwischen 1490 und 1526 waren Zittau und die Lausitzen Teil des jagiellonischen Imperiums. König Wladislaw II. und sein Sohn Ludwig beförderten die wirtschaftliche Prosperität und den internationalen Kulturaustausch in Stadt und Land. Kostbare Kunstwerke und stolze Bauten wie das Zittauer Salzhaus, Stadttürme, die Weberkirche und viele prägende Bauwerke in den heute ostsächsischen Städten zeugen davon.
In den schönsten gotischen Räumen des Kulturhistorischen Museums Franziskanerklosters in Zittau berichten etwa 60 ausgewählte Kunstwerke und Alltagsobjekte aus der Zeit des 15. und 16. Jahrhunderts von der Pracht der Jagiellonenzeit: Silbermünzen und Siegel, Ofenkacheln und Keramikreliefs, Tafelbilder, anmutige gotische Madonnen und eindrückliche Heiligenfiguren, Stickereien, Metallarbeiten, dazu eine exquisite Auswahl von Holzschnitten und Kupferstichen von Albrecht Dürer und seinem Umkreis. Einige der Exponate sind noch nie gezeigt worden, andere können zum ersten Mal seit Jahrzehnten entdeckt werden, etwa der frisch restaurierte Zittauer Feldaltar von 1512 - ein Tragaltar, den die Zittauer Truppen mit in den Krieg nahmen, um im Feld Gottesdienst feiern zu können, etwa als sie im Dienst der Jagiellonenkönige in Ungarn gegen die Türken mitmarschierten.
Prädikat: Unbedingt hingehen!
Zittavia Jagellonica. Kunst und Kultur um 1500
Sonderausstellung vom 1. März bis 14. Juli 2013
Kulturhistorisches Museum Franziskanerkloster, Zittau
Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag von 10 bis 17 Uhr, ab April Montag bis Sonntag von 10 bis 17 Uhr
Begleitprogramm:
27. März 2013, 17 Uhr:
"Jagiellonische Oberlausitz. Kunst und Kultur um 1500“,
Vortrag des Zittauer Geschichts- und Museumsvereins e. V. mit Dr. Marius Winzeler,
Restaurant KultUhr Zittau
6. April 2013, 14 Uhr:
öffentliche Führung durch die Ausstellung
12. Mai 2013, 10 bis 17 Uhr :
Internationaler Museumstag, sachsenweite Eröffnung in Zittau
und mehrere Sonderführungen und Aktionsprogramme zu den Jagiellonen
(siehe ab April http://www.museum-zittau.de)
29. Juni 2013, 14 Uhr,
Stadtrundgang "Auf den Spuren des jagiellonischen Zittau“
Service:
Die Ausstellungstexte sind dreisprachig deutsch - polnisch - tschechisch.
Zur Ausstellung liegt eine kurze Zeittafel zu "Zittavia Jagellonica“ vor.
Der Katalog der Potsdamer Ausstellung mit Texten zu den Oberlausitzer Kunstwerken ist an der Museumskasse in Zittau für 14,80 Euro erhältlich.
Mehr:
http://www.europajagellonica.de
http://www.museum-zittau.de
Schon gewusst?
Europa Jagellonica - Zittavia Jagellonica
Vor 500 Jahren bildeten die Länder des östlichen Mitteleuropa ein Reich, das von der Ostsee bis zur Adria reichte. Durch eine geschickte Bündnispolitik hatte das litauisch-polnische Herrschergeschlecht der Jagiellonen die Kronen von Polen-Litauen, Böhmen, Ungarn und Kroatien gewonnen. Kluge Heiratspolitik weitete das Netzwerk nach Westen aus - die Jagiellonen waren mit vielen führenden Familien wie den Habsburgern, Hohenzollern, Wettinern und Wittelsbachern verschwägert. Die Jagiellonen förderten eine überregionale Vernetzung auf allen Ebenen, wirtschaftliche und technische Kooperation ebenso wie den Kulturaustausch und die künstlerische Mobilität. Als Nebenländer der Krone Böhmen profitierten auch die Ober- und Niederlausitz 1490-1526 davon. Sie gehörten als einzige Gebiete des heutigen Deutschland zum Reich der Jagiellonen, zu Europa Jagellonica.
Die Wurzeln der Jagiellonen-Dynastie liegen im Baltikum. Ihr Begründer war 1386 der erste christliche Großfürst von Litauen - litauisch Jogaila, polnisch Jagiełło, lateinisch Jagello. Er heiratete die polnische Königin Hedwig von Anjou und bestieg als Wladislaw II. Jagiello den polnischen Königsthron. Sein Sohn Kasimir IV. der Große, verheiratet mit einer Habsburgerin, sicherte dank zahlreicher Kinder die Machtstellung der Dynastie. Die Nachkommen erweiterten den jagiellonischen Einflussbereich. Kasimirs ältester Sohn Wladislaw II. wurde 1471 König von Böhmen, 1490 König von Ungarn und Kroatien und war seither auch Herr über die Lausitzen, Mähren und Schlesien. Wladislaws Sohn Ludwig heiratete Anna von Habsburg, eine Tochter Kaiser Maximilian I. Mit Ludwigs frühem Tod im Krieg gegen die Türken 1526 erbte das Haus Habsburg die Kronen Böhmens, Ungarns und Kroatiens. In Polen-Litauen blieben die Jagiellonen an der Macht: Unter Wladislaws Bruder Sigismund I., verheiratet mit der Mailänderin Bona Sforza, und dessen Sohn Sigismund II. August erlebte das nordöstliche Großreich mit der Hauptstadt Krakau sein „Goldenes Zeitalter“.
Als 1471 Wladislaw II. aus dem Haus Jagiello als Nachfolger Georgs von Podiebrad König von Böhmen wurde, lehnten die Nebenländer Mähren, Schlesien und die Lausitzen ihn ab. Sie hielten zu dem seit 1469 als böhmischer Gegenkönig regierenden Matthias Corvinus, König von Ungarn. Der Krieg um die Vormacht endete 1479 im Frieden von Olmütz/Olomouc, worin beschlossen wurde, dass die böhmischen Länder nach dem Tod eines der beiden Könige wieder vereint werden sollten. 1490 starb Matthias Corvinus. Daraufhin übernahm Wladislaw dessen Herrschaftsgebiet.
Am 25. Mai 1490 huldigten die Vertreter von Bautzen, Zittau, Lauban, Löbau und Kamenz in Prag ihrem neuen König. Görlitz folgte am 9. Juni. Für 36 Jahre wurde damit die Oberlausitz jagiellonisch. Eine Epoche wirtschaftlicher und kultureller Blüte begann. Obwohl keiner der Jagiellonen-Könige die Oberlausitz besuchte, spielte diese im Herrschaftskonzept eine wichtige Rolle, was sich in königlichen Interventionen, wirtschaftlichen und rechtlichen Privilegien oder einer Stiftung wie derjenigen des Kamenzer Franziskanerklosters 1492/93 zeigte.
Unter den Jagiellonen erholte sich die Oberlausitz von den Unruhen und Bedrängnissen des 15. Jahrhunderts, den Hussitenkriegen mit ihren Belagerungen, Zerstörungen und inneren Zerrüttungen. Zittau hatte den Hussiten standgehalten. Hier fand 1421-1437 das Prager Domkapitel Zuflucht, bis 1476 war die Stadt Sitz eines Weihbischofs. Für die kulturelle Situation war dies von Vorteil, wie das hohe humanistische Niveau der Lateinschule oder die Entstehung von außergewöhnlichen Kunstwerken zeigen - das große Fastentuch oder die Wandmalerei des Jungbrunnens.
Daneben erschütterten jedoch langjährige Auseinandersetzungen das Gemeinwesen: Handwerker und Rat kämpften um die Macht - so im Aufstand der „Wiesenherren“, benannt nach dem Versammlungsplatz der Aufständischen auf einer Wiese bei der Frauenkirche. Zudem entbrannte zwischen Zittau und Görlitz der gewaltsame „Bierkrieg“ um Vertrieb und Ausschank des begehrten Gerstensafts. In beiden Fällen griff die Landesherrschaft ein und befriedete die Streitigkeiten mit saftigen Strafen.
Als in den 1490er Jahren in Zittau, Bautzen und Görlitz Rat und Bürgerschaft mit großem Aufwand und Bauleuten aus ganz Mitteleuropa die Stadtkirchen erweiterten sowie zahlreiche Kapellen und Altäre stifteten, war das nicht nur Ausdruck gesteigerter vorreformatorischer Frömmigkeit, sondern vor allem neuer Prosperität. Durch den regen Güterverkehr war das alte Durchgangsland wieder mit ganz Europa vernetzt.
1498 rief König Wladislaw die Oberlausitzer zur Unterstützung der Türkenkriege auf. Zwei Jahre später sind für Zittau ausgelassene Schießfeste und Fastnachtsvergnügen überliefert. Städtischer Stolz manifestierte sich im monumentalen Neubau des Salzhauses 1511 und dem Ausbau der Stadtmauer. Kostbare Kunstwerke für Kirchen und Klöster künden vom hohen Anspruch der Auftraggeber. Inspiriert von der jagiellonischen Hofkultur in Prag und Buda sowie begünstigt durch internationale Handelskontakte erlebte die Oberlausitz im frühen 16. Jahrhundert eine Konjunktur, die durch den frühen Einzug der Renaissance eine eigene Prägung erlangte.
Mit dem Tod des jungen Königs Ludwig II. Jagiello auf dem Schlachtfeld bei Mohács fand das böhmisch-jagiellonische Imperium ein jähes Ende. Für Zittau und die Oberlausitz waren die Weichen für die Neuzeit jedoch gestellt. Die Reformation konnte nicht mehr aufgehalten werden. Unter den Habsburgern setzte sich der Aufschwung nahtlos fort.
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- Quelle: red | Plakat: Kulturhistorisches Museum Franziskanerkloster, Zittau
- Erstellt am 07.03.2013 - 12:46Uhr | Zuletzt geändert am 07.03.2013 - 12:53Uhr
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