Zweimal Detmold

Zweimal DetmoldZittau | Detmold, 14. November 2022. Von Thomas Beier. Es gehört zu den Eigentümlichkeiten der deutschen Wiedervereinigung, im Laufe der Jahre seit 1989 mit Orten in Verbindung zu kommen, von denen man zuvor lediglich wusste, dass es sie gibt – ein Besuch jedoch war bis zum Mauerfall schlichtweg unmöglich.

Abb.: Schloss Detmold
Foto: Elke, Pixabay License
Anzeige

Den Sozialismus mit Ironie ertragen

So lernten wir etwa in der Polytechnischen Oberschule, in englischer Sprache eine Stadtführung durch Birmingham zu machen und die Stadt anderen vorzustellen, allerdings ohne die geringste Aussicht, jemals persönlich vor Ort zu sein. Weil der Sozialismus, in den man hineingeboren worden war, sich nun einmal als unausweichlich darstellte und aktiver Widerstandskampf wenig aussichtsreich erschien, blieb zumindest das Vergnügen, sich über Funktionäre und Bonzen lustig zu machen – und zwar so, dass diese es in ihrer Einfalt gar nicht merkten.

Singen ist Befehl!

Zu meinen diebischen Freuden während des Grundwehrdienstes in der Nationalen Volksarmee (NVA) gehörte es, beim täglichen Marsch zur Küche und zurück, bei dem regelmäßig der Befehl "Rührt euch, singen!” ertönte, bestes deutsches Volkslied aus dem Zupfgeigenhansel einzuschmuggeln. Der Zupfgeigenhansel ist eine Liedersammlung, die seit 1909 immer wieder aufgelegt und durch das 1972 gegründete gleichnamige Duo noch populärer wurde. Allerdings flog die Sache schnell auf und wir mussten wieder sinnfreie Lieder wie "Gisela, morgen bin ich da!" brüllen.

Um wie viel schöner war das "Es, es, es und es", ein Lied vom in der NVA erträumten Lebewohl sagen, mit dem Reim "es ist ein harter Schluss, dass ich aus Frankfurt muss!" – selbstverständlich Frankfurt (Oder), nicht auszudenken, man hätte Frankfurt am Main ins Spiel gebracht! Ein anderes Lied mit passendem Text war "Oh wunderbares Glück", das Lied vom Soldatenschicksal. Ein Vers heißt hier "Was nützt mir mein studieren, viel’ Schulen absolvieren, bin doch ein Sklav’, ein Knecht, oh Himmel, ist das recht?"

Aufgeflogen

Die Sache mit dem eher wehrschädlichen Liedgut flog auf bei "Lippe-Detmold, eine wunderschöne Stadt, darinnen ein Soldat". Die Story, verkürzt, ist diese: Er muss marschieren in den Krieg und nach dem zweiten Schuss, der ihn trifft ist, schreit er nicht mehr und der General rauft sich den Bart: "Womit soll ich führen meinen Krieg, weil mein Soldat ist tot." Dass es die Stadt Lippe-Detmold nie gab, sondern nur die Stadt Detmold im heutigen Kreis Lippe in Nordrhein-Westfalen, spielte keine Rolle. Jedenfalls wurde dann wieder vom Mann gesungen, der fest wie eine Eiche steht und vielleicht schon morgen eine Leiche ist, "wie es so vielen Freiheitskämpfern geht".

Noch einmal Detmold

Das 74.000-Seelen-Städtchen Detmold hätte ich wohl über die Jahre vergessen, wenn sich hier nicht ein Lieferant gefunden hätte. Konkret ging es um die Modernisierung einer Elektro-Warmwasserheizung, die ursprünglich viermal siebeneinhalb Kilowatt elektrische Anschlussleistung hatte. Die sollte umgerüstet werden auf einmal fünf Kilowatt, um dadurch solartauglich zu werden. Fündig wurde ich ausgerechnet in Detmold, wo ein Experte für elektrische Verbindungstechnik ein großes Sortiment an Reihenklemmen anbietet und zudem auf seiner Webseite die Unterschiede erklärt. Bingo!

Und plötzlich hatte ich wieder das alte Lied im Kopf…

Kommentare Lesermeinungen (0)
Lesermeinungen geben nicht unbedingt die Auffassung der Redaktion, sondern die persönliche Auffassung der Verfasser wieder. Die Redaktion behält sich das Recht zu sinnwahrender Kürzung vor.

Schreiben Sie Ihre Meinung!

Name:
Email:
Betreff:
Kommentar:
 
Informieren Sie mich über andere Lesermeinungen per E-Mail
 
 
 
Weitere Artikel aus dem Ressort Weitere Artikel
  • Quelle: Thomas Beier | Foto: Detmold / Elke, Pixabay License
  • Erstellt am 14.11.2022 - 11:38Uhr | Zuletzt geändert am 14.11.2022 - 12:17Uhr
  • drucken Seite drucken
Anzeige