Zittau für die Dreiländerregion
Zittau, 5. Februar 2020. Ende Januar hat sich die Stadt Zittau zum Aus für die Bewerbung um den Titel "Kulturhauptstadt Europas 2025" geäußert. Anlass war der Report zur Vorauswahl im deutschen Wettbewerb, den die Jury der Europäischen Kommission am 24. Januar 2020 veröffentlich hat (der Zittauer Anzeiger berichtete am gleichen Tag inklusive einer Übersetzung des Reports).
Kommentar: Kulturhauptstadttitel hätte für Zittau Auszeichnung und Chance sein können
Auf 26 eng beschriebenen Seiten hat die Jury nicht nur eine mit Empfehlungen versehene Beurteilung der fünf auf die Shortlist vorgerückten Städte gegeben, sondern geht auch detailliert auf die drei nicht berücksichtigten Kandidatenstädte Dresden, Gera und Zittau ein.
"Die Beurteilung der Jury deckt sich zum Teil mit unseren eigenen Einschätzungen im unmittelbaren Nachgang von Präsentation und Entscheid am 12. Dezember 2019", resümiert Kai Grebasch, Projektverantwortlicher Zittau 2025. So bemängelt die Jury insbesondere die noch nicht detailliert genug ausgearbeitete strategische Zielsetzung des BidBooks und das nur in Ansätzen ausformulierte Kulturprogramm für 2025 und kommt zudem zu dem Schluss, dass die Finanzplanung zu stark auf die Zusagen von Bund und Freistaat Sachsen setzt und eine zu geringe Eigenkapitalquote aufweist. "Es zeigt sich, dass die Jury unserer Bewerbung und unserer Region nicht zutraut, Gastgeber für eine Veranstaltung dieser Größenordnung zu sein", so Grebasch und der Zittauer Oberbürgermeister Thomas Zenker kommentiert: "Das ist ärgerlich, weil wir dort nach Prüfung des Vorhandenen aber auch der Potenziale eine deutlich andere Auffassung haben. Damit wird das Thema des ländlichen Raums als Nachteil wieder einmal ganz nach Klischee betont."
Doch die Jury hat nicht nur kritikwürdige Punkte ausgemacht: So lobt man ausdrücklich das große Potenzial der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit und sieht ebenfalls großes Potenzial in Investitionsvorhaben wie der Umwandlung der leerstehenden Industrieanlage von ROBUR in einen Ort der Erinnerung und des Dialogs, in der Schaffung eines Europäischen Kreativitätszentrums und weiterer Projekte. Diese Ideen seien es wert, weiterentwickelt und umgesetzt zu werden.
"Aus dem Jurybericht wird klar", analysiert Oberbürgermeister Zenker, "dass es uns trotz aller Anstrengungen nicht gelungen ist, den Nachteil eines späten Eintritts in den Wettbewerb auszugleichen und strategisch und strukturell, aber auch in der Finanzplanung weit genug vorangekommen zu sein." Es scheine zudem, dass die Jury die Grundidee einer trinationalen und auch von allen drei Ländern getragenen Bewerbung zwar anerkennt, aber nicht vollends von ihrer Tragfähigkeit überzeugt sei. "Wir haben gehofft, dass unsere großen Anstrengungen in Sachen Bürgerbeteiligung – vom Bürgerentscheid bis zum starken Agieren des Freundeskreises – nicht nur Randnotizen für die Jury sind", so Grebasch. Dem sei nun leider nicht so gewesen.
In Ihrem Fazit würdigt die Jury die seit 1945 in der Region geleistete Arbeit und schließt mit den Worten: "Das Gremium möchte das Team, die Stadt Zittau und die 3-Länder-Region ermutigen aus den ECoC - Vorbereitungen (Anm. d. Red.. ECoC ist die European Capital of Culture, die Europäische Kulturhauptstadt) Nutzen zu ziehen und weiterhin in Kultur als Schlüsselelement zur räumlichen Entwicklung zu investieren. Die Jury hofft, dass die Bemühungen um die Fertigstellung und anschließende Umsetzung einer umfassenden regionalen Kulturstrategie unter Einbeziehung eines breiteren Spektrums von Interessengruppen (insbesondere dem Kultursektor) und der Bevölkerung des gesamten Gebiets fortgesetzt werden."
Die Stadt Zittau und der Landkreis Görlitz werden nun mit den Nachbarregionen beraten, ob eine Bewerbung aus Polen oder Tschechien Chancen hat und wie sie durch die deutsche Seite und ihre Erfahrungen aus dem Wettbewerb unterstützt werden kann. "Der Freistaat Sachsen stellt uns jetzt 200.000 Euro zur Verfügung, um Ideen und Projekte aus dem bisherigen Verfahren umzusetzen beziehungsweise umsetzungsreif zu machen. Dafür sind wir sehr dankbar, denn die Enttäuschung bei all denen, die unsere Bemühungen im Titelrennen so intensiv unterstützt haben, sitzt natürlich tief", meint Oberbürgermeister Zenker und möchte am liebsten den Schwung der Bewerbung am Laufen halten.
Kommentar:
Es ist, wie es ist, das Wundenlecken sollte schnell beendet werden. Gesagt werden muss jedoch auch: Zittau und die Dreiländerregion hätten den Titel sehr wohl verdient: Die Stadt im Rande Deutschlands, umgeben von eher dünnen Strukturen im Dreiländereck, hat sich die Kultur nie nehmen lassen, sei es nun das Haus des Gerhart-Hauptmann Theaters als Symbol der Hochkultur oder die aktive soziokulturelle Szene, ohne die mit Sicherheit noch mehr junge Leute abgewandert wären.
Hinterfragt werden muss das Anliegen des Wettbewerbs um den Titel "Kulturhauptstadt Europas". Soll eine Stadt mit viel kulturellem Vermarktungspotenzial ausgezeichnet werden oder ist der Titel eine Chance auf einen Entwicklungssprung für eine Region, die durch ihn ein ganzes Jahr lang in den Fokus gerät. Ich würde mir Letzteres wünschen, denn wo der Kulturbetrieb in einem halbwegs prosperierenden wirtschaftlichen Umfeld läuft, da braucht's nicht noch mehr Butter bei die Fische. Aber eine Region wie Zittau, die in ihren tiefen wirtschaftlichen und damit sozialen Umbrüchen, besser gesagt Verlusten, sich kulturelle Strukturen erhalten oder sogar neu aufgebaut hat, so dass ihre Identität ganz wesentlich davon abhängt, für die wäre der Kulturhauptstadttitel Auszeichnung und Chance zugleich.
Nun denn: Wenn das Feuer der Bewerbungsphase als Kulturherzstadt3 weiterbrennt, ist viel erreicht. Dass dafür von Freistaat und Landkreis trotz knapper Kohle zugeheizt werden muss, versteht sich von selbst, denn gleichartige Lebensverhältnisse stehen nicht nur deutschlandweit, sondern auch innerhalb Sachsens auf der Tagesordnung,
meint Ihr Thomas Beier
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- Quelle: red/TEB | Kommentar: Thomas Beier | Fotos: © Zittauer Anzeiger
- Erstellt am 05.02.2020 - 07:19Uhr | Zuletzt geändert am 05.02.2020 - 08:12Uhr
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