Auflage eines Klassikers als Modellauto erweckt industrielle Geschichte Zittaus zum Leben

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Zittau, 11. Oktober 2023. Begeisterte von Miniaturfahrzeugen und Eisenbahnplatten dürfen sich seit Kurzem über ein spannendes neues Modell im Maßstab 1:87, passend für die Modelleisenbahnnorm H0, freuen. Das besondere Stück ist ein selten produzierter Prototyp der Marke Robur - der Robur LD 2004 mit Ladefläche in einer Allradversion - aus den frühen 1990er Jahren. Miniaturautoenthusiasten aus West- und Ostdeutschland schätzen die präzise Verarbeitung dieses ROBUR-Modells. Es ist beeindruckend, dass über drei Jahrzehnte nachdem die Originalproduktion eingestellt wurde, wieder Modelle dieser Art hergestellt werden.

Ähnliches Modell - der Robur LO 3000 Pritsche, gebaut von 1973 bis 1990

Foto: Darkone (talk · contribs), CC BY-SA 2.5, via Wikimedia Commons

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Vom Textilmaschinen- bis zum Fahrzeugbau

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Das Hauptgebäude des Stammwerkes von ROBUR auf der Bahnhofsstraße

Foto: Ubahnverleih, CC BY-SA 3.0 DE, via Wikimedia Commons

Viele Menschen verbinden mit den Fahrzeugen und dem ehemaligen Hauptwerk des Produzenten in Zittau nicht nur individuelle Erinnerungen, sondern auch einen bedeutenden und langanhaltenden Teil der industriellen Geschichte der Gegend. Im Jahr 1888 startete Gustav Hiller ein Geschäft, das eine von ihm erschaffene und 1894 patentierte Textilmaschine für die Fadenbällchen-Herstellung (Bommeln) vertrieb. Kurz darauf, 1889, ging er in die Fahrradproduktion über. Nach einer Reise nach Großbritannien im Jahr 1890 erwarb er die Importlizenzen für Rover-Räder und begann bald darauf mit deren Produktion. Diese Räder wurden weiterentwickelt und ab 1894 als „Phänomen-Rover“ verkauft. 1900 wurden Phänomen-Motorräder eingeführt und 1905 kam das erschwingliche Dreiradfahrzeug Phänomobil dazu.


Das Unternehmen, das 1917 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt wurde, versuchte zwischen 1912 und 1927 auch die Herstellung von Personenkraftwagen, konnte sich jedoch nicht gegen die Konkurrenz durchsetzen. 1927 wurde, hauptsächlich auf Wunsch der Reichspost, ein LKW Phänomen mit einer Kapazität von 0,75 bis 1 t eingeführt, welcher den Beginn einer erfolgreichen LKW-Produktion markierte. Als der Bedarf an LKWs mit größerer Kapazität wuchs, wurden ab 1931 Modelle mit Traglasten von 1,5 t und 2,5 t eingeführt. Ab 1939 konzentrierte sich das Unternehmen, bedingt durch die Rüstungsindustrie, hauptsächlich auf ein Standardmodell mit 1,5 t Kapazität.


Zwischen Mai und Juli 1945 wurden Ausstattungen und Maschinerie als Kompensation an die Sowjetunion abgegeben, doch gelang es einem sächsischen Verwalter, die Fabrikgebäude und maschinelle Infrastruktur vor der vollständigen Zerstörung zu retten. Nach einem Volksentscheid im April 1946, der sich auf die Übertragung von Betrieben von Kriegs- und Naziverbrechern bezog, wurde das Unternehmen Phänomen-Werke AG im Juni desselben Jahres verstaatlicht. Fortan hieß es Phänomen Werke Zittau, Industrieverwaltung 17, Fahrzeugbau Landeseigener Betrieb Sachsens. Zwei Jahre später wurde es Teil der IFA.


Vom Aufstieg und Fall der Robur-Werke: Eine Reise durch die DDR-Fahrzeugindustrie


In dieser Phase wurden nicht nur wichtige Produkte hergestellt, sondern auch ungefähr 1000 Fahrzeuge der Roten Armee repariert. 1948 begann die Produktion von stationären Motoren. 1950 startete die LKW-Produktion, die den Designs vor dem Krieg sehr ähnelte. Bereits 1949 wurden Arbeiten an einem Dieselmotor wieder aufgenommen, der 1954 in Serie ging. Der Benzinmotor wurde 1953 aktualisiert und nach und nach leistungsstärker gemacht. 1957, nach einem erfolgreichen Rechtsstreit der ursprünglichen Eigentümer, erhielt die Firma den Namen VEB Robur Werke Zittau. Robur stammt aus dem Lateinischen und steht für Stärke oder Kraft. Das neu eingeführte Robur-Logo war inspiriert von einer Kurbelwelle.


Dem Unternehmen wurden diverse Produktionsstätten zugeordnet, einschließlich der Karosseriefabrik in Bautzen, einem Karosseriestandort in Halle, einem Brandbekämpfungsgerätehersteller in Görlitz und einem  Motorenwerk in Kamenz. In diesem aufgeblähten Kombinat wurden sämtliche Fahrzeugteile selbst produziert – vom Autoteppich über den Rückspiegel bis zu den Aufbauten. Trotz der langsamen Fortschritte in der DDR-Fahrzeugindustrie, erlangten die Robur-Werke rasch eine führende Rolle. Die Jahresproduktion und der Export wuchsen schnell mit ständigen technischen Innovationen. Diese Dominanz dauerte bis in die Mitte der 1960er Jahre. 1966 war ein Rekordjahr mit der Herstellung von 7.000 Lkw, wovon 4.500 ins Ausland verkauft wurden. Robur-Lkw wurden nicht nur in RGW-Ländern, sondern auch international eingesetzt. Das Robur-Safari-Angebot wurde für die spezifischen Bedürfnisse dieser Zielmärkte konzipiert.


In den 1970er Jahren zeigte sich jedoch ein Investitionsrückstand im Werk, und die Jahresproduktion sank auf 5.000 bis 6.000 Einheiten. In den 1980ern konnte die vorherige Produktqualität wegen veralteter Anlagen nicht mehr gehalten werden. Zwischen 1950 und 1990 wurden rund 250.000 Fahrzeuge produziert. Um die Zeit der politischen Umbrüche 1989/1990 befand sich das Werk in kritischem Zustand und stand symbolisch für die Mängel der geplanten Wirtschaft. Viele Mitarbeiter verloren kurz danach ihre Stellen, die Produktion endete 1991. 1995 entstand die Robur-Fahrzeug-Engineering GmbH, die das Know-how der alten Robur-Werke übernahm. 1999 wurde mit 17 Angestellten die FBZ GmbH in Zittau gegründet. Das Bautzener Werk wurde zu einem Geschäftspark umgewandelt. 2012 erfolgte eine Neubenennung der FBZ durch einen neuen Besitzer zur Robur-Fahrzeug-Engineering-Zittau GmbH.


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  • Erstellt am 11.10.2023 - 12:12Uhr | Zuletzt geändert am 11.10.2023 - 13:26Uhr
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