Aus Kulturhauptstadt wird KulturHERZstadt

Aus Kulturhauptstadt wird KulturHERZstadtZittau, 12. Dezember 2019. Bei allem Realitätssinn: Das war schon ein emotionaler Moment, als die europäische Jury heute ihr Votum bekanntgab, wonach es die Zittauer Kulturhauptstadt3-Bewerbung "365° Life – Zittau für die 3Länderregion" es nicht auf die Shortlist geschafft hat. Von Enttäuschung sollte aber niemand sprechen, denn das wäre das Ende einer Täuschung – und eine Täuschung war die vom Zittauer Bewerbungsprozess entfaltete Kraft ganz gewiss nicht.

Ob nun Kulturhauptstadt3, Kulturstadt oder Kulturherzstadt: Zittau hat die Erfahrung gemacht, welche Kräfte freigesetzt werden, wenn man sich auf ein gemeinsames Ziel fokussiert. Kultur und die Kreativwirtschaft in den Mittelpunkt zu rücken bleibt auch ohne Kulturhauptstadttitel eine große Chance.
Grafik: Stadtverwaltung Zittau
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Stimmen zum für Zittau beendeten Bewerbungsprozess

Stimmen zum für Zittau beendeten Bewerbungsprozess
Eröffnung des Kulturhauptstadtbüros am Zittauer Markt am 29. September 2018
Foto: © Zittauer Anzeiger

Wenngleich sich das Bewerbungsteam um den Zittauer Oberbürgermeister Thomas Zenker und die vielen Unterstützerinnen und Unterstützer in Zittau und der ganzen Region dafür hart gearbeitet haben, um einen anderen Ausgang des Bewerbungsprozesses zu erreichen, soll es nun zum Wohle Zittaus auch ohne den Kulturhauptstadt-Wettbewerb weitergehen. "Die Entscheidung schmerzt, aber wir sind auch sehr stolz, haben wir doch eine neue Qualität von Unterstützung und bei sehr vielen Menschen, Organisationen und Kommunen regelrechte Begeisterung dafür erlebt, so etwas Großes gemeinsam zu stemmen“, reagierte Oberbürgermeister Thomas Zenker auf die Nachricht. Zittau und das Bewerbungsteam seien für diese Unterstützung und Begeisterung sehr dankbar und das Vorhaben sei jeden Aufwand wert gewesen.

Allen im Wettbewerb verbliebenen Bewerbern wünscht das Zittauer Team jetzt weiterhin Erfolg. Für die Begründung der Entscheidung hat die Jury jetzt 21 Werktage Zeit.

An den Inhalten und Strategien der Zittauer Bewerbung soll festgehalten werden und vor allem die verbindenden Projekte für die Region weiter entwickelt und umgesetzt werden. Die gemeinsame Kulturraumkonferenz der gesamten Euroregion wird im Februar planmäßig in Reichenberg (Liberec) stattfinden. Das Projekt "Grenzland - Transition Europe", ein Ausstellungskonzept auf dem Niveau einer Landesausstellung, das die Geschichte der Region aus vier Perspektiven gleichzeitig erzählt, bleibt genauso Ziel wie die Idee der Brücke am Dreiländerpunkt als Ort für kulturelle Großveranstaltungen. Auch die Weiterentwicklung infrastruktureller Grundlagen wie des öffentlichen Personennahverkehrs sowie eine gemeinsame Kommunikationsplattformen werden weiterhin als notwendig für eine positive Entwicklung des gesamten Bewerbungsgebiets in der Dreiländerregion erachtet.

Viel Kraft hatte die Zittauer Kulturhauptstadtbewerbung durch das bürgerschaftliche Engagement von spontan entstandenen Gruppen wie beispielsweise dem Freundeskreis erhalten. Das wollen die Stadt Zittau und ihre kommunalen Partner weiterhin unterstützen und fördern. "Wir haben auch der Jury sehr deutlich gemacht, dass die gesamte Bewerbung nur MIT den Menschen und ihrem Engagement möglich geworden ist", erklärte Oberbürgermeister Zenker und fügte hinzu: "Wir hoffen sehr, dass auch ohne den Wettbewerb möglichst viel von dieser Kraft erhalten bleibt. Wir appellieren an die Politik der Region, genau das noch weiter zu stärken."

Landrat Bernd Lange bekräftigt diese Sicht nach der Entscheidung der Jury: "Auch wenn der Weg zur Kulturhauptstadt 2025 für uns heute leider zu Ende ist, Zittau ist und bleibt der Mittelpunkt Europas. Wir wollen die bereits gestarteten Projekte weiterhin mit ganzer Kraft voranbringen und die besondere Rolle der Stadt im Dreiländereck in den Fokus der Öffentlichkeit rücken. Ich danke allen Beteiligten, allen voran Oberbürgermeister Thomas Zenker und seinem Team vom Kulturhauptstadtbüro für ihr großes Engagement und freue mich sie auch weiterhin als Unterstützer für eine zukunftsorientierte Entwicklung der Region an unserer Seite zu wissen."

Die Stadt Zittau dankt allen Unterstützern und Sponsoren sowie allen direkt an der Bewerbung beteiligten Teammitgliedern und Fachleuten. Ein sehr vielversprechenden Ausblick ist bereits im Vorfeld der Bewerbung diskutiert worden: In den Jahren 2028 und 2029 bestehen wieder Chancen für die Dreiländerregion auf den Titel einer Europäischen Kulturhauptstadt. In diesen Jahren gehören Tschechien und Polen zu den Nationen, die nominieren dürfen. "Ich bin mir ganz sicher, dass unsere Region diesen Titel sehr verdient hat und für Europa sehr wichtige und notwendige Erkenntnisse liefern kann. Deshalb würde ich es sehr begrüßen, wenn unsere Nachbarn sich auch auf diesen Weg machen würden. Wir stehen zu jeder Unterstützung dafür bereit", machte Oberbürgermeister Zenker deutlich.

Wer noch im Rennen ist

Die Städte Chemnitz, Magdeburg, Hannover, Hildesheim und Nürnberg wurden für die zweite Runde im Bewerbungsverfahren um den Titel "Kulturhauptstadt Europas 2025" empfohlen. Die zwölfköpfige europäische Jury hatte anhand der eingereichten jeweils 60seitigen Bewerbungsbücher (bid book 1) und der Präsentationen der Bewerberstädte vor der Jury in den vergangenen beiden Tagen darüber entschieden, welche der acht Bewerberstädte für die Shortlist empfohlen werden. Die Städte Zittau, Dresden und Gera scheiden nach dieser Empfehlung aus dem Wettbewerb aus.

Das Urteil der unabhängigen europäischen Jury muss nun noch vom Vorsitzenden der Kulturministerkonferenz gebilligt werden, dann können die Städte bis zum Sommer 2020 ihr Bewerbungskonzept weiterentwickeln und konkretisieren. Welche deutsche Stadt im Jahr 2025 den Titel "Kulturhauptstadt Europas" tragen darf, entscheidet sich im Herbst 2020.

Stimmen zum Ausscheiden der Zittaus und der Dreiländerregion

Franziska Schubert, Oberlausitzer Landtagsabgeordnete von Bündnis90/Die Grünen, äußerte sich so: "Leider haben es Zittau und die Dreiländerregion nicht auf die Shortlist für die finale Bewerbungsrunde zur Kulturhauptstadt 2025 geschafft. Das ist schade. Wir sollten uns davon jedoch nicht entmutigen lassen, sondern die Idee und Motivation für diese Bewerbung weiterentwickeln. Diese Bewerbung war vor allem eins: Mutig und voller Zuversicht! Und sie hat schon viel erreicht. Sie hat Menschen für etwas zusammengebracht – sich gemeinsam auf den Weg zu machen, diese Region von unten zu entwickeln, das Erreichte zu würdigen und das Neue zu entdecken.

Mit dieser Region hat unsere Dreiländerregion wieder einmal darüber nachgedacht, dass wir eine Region im Herzen Europas sind und dass es sich lohnen könnte, gemeinsam an einem Strang zu ziehen. Ich wünsche mir, dass wir genau da weitermachen. Ich danke dem Team der Zittauer Kulturhauptstadtbewerbung und dem Freundeskreis für ihr großartiges Engagement. Dieser Geist, der die Bewerbung getragen hat, ist genau das, was unsere Region braucht - positive, zuversichtliches Denken. Ich gratuliere Chemnitz, Hildesheim, Magdeburg, Hannover und Nürnberg und wünsche Ihnen viel Erfolg für ihren weiteren Bewerbungsweg bis zur Entscheidung im Herbst 2020."

Thomas Beier, seit 25 Jahren Unternehmer in der Oberlausitz: "Mit Blick auf die reiche Geschichte der Stadt Zittau, auf ihre vielen engagierten Bürger und besonders die soziokulturellen Szene in der Stadt habe ich den Bewerbungsprozess mit Spannung verfolgt. Schon bei der Görlitzer Kulturhauptstadtbewerbung für das Jahr 2010, die sich nur Essen im Ruhrgebiet geschlagen geben musste, hatte ich allerdings das Gefühl, dass Vermarktungspotenziale der Kandidatenstädte die Jury durchaus beeinflussen könnten, so dass es Mittelstädte in strukturschwachen Räumen besonders schwer haben, den Titel zu erringen. Es ist außerordentlich schade, dass das Konzept der Bewerbung als Dreiländerregion an der heutigen Schnittstelle zwischen Westeuropa und den Mittel- und Osteuropäischen Staaten, zugleich einer Region, die erst seit wenigen Jahrzehnten im Zusammenwachsen die Folgen des letzten Weltkrieges verarbeitet, schon in der ersten Runde ausscheiden musste. Es bleibt zu hoffen, dass der motivierende Geist der Bewerbung weiterlebt. Sachsen sollte jetzt zudem auf Chemnitz blicken, wo die im Jahr 2020 aus dem Amt scheidende Oberbürgermeisterin Barbara Ludwig in der Industriestadt in Sachen Kultur ein sehr glückliches Händchen hat."

Mirko Schultze, Landtagsmitglied der Linkspartei, teilte zur Entscheidung mit: "Zittau lebt den Europagedanken wie kaum andere Städte, eine Entwicklung und Bestrebungen zur Verhinderung von Abwanderung, Leerstand und Strukturwandel sind bedeutend und werden durch die Stadtpolitik aktiv verbessert und gestaltet. Es ist sehr bedauerlich, dass es für Zittau nicht gereicht hat." Schultze weiter: "Die Stadt Zittau setzt sich mit ihrer Bewerbung zur Kulturhauptstadt auch antieuropäischen Kräften entgegen und zeigt ein klares Zeichen in die richtige Richtung." Die Linkspartei verwies in einer Mitteilung vom Tage darauf, dass Oberbürgermeister Zenker herausgestellt hatte, dass sich 'Regionen fernab der Metropolen nur gemeinsam entwickeln können'. Er habe auch betont, wie Seiden der Faden des jüngst gewobenen Dreiländerecks sei.

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  • Quelle: red
  • Erstellt am 12.12.2019 - 17:03Uhr | Zuletzt geändert am 07.05.2021 - 13:30Uhr
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